Chronika Tekuschtschich Sobytij

Die Chronika Tekuschtschich Sobytij („Chronik der laufenden Ereignisse“) ist ein mit Schreibmaschine geschriebenes, von Menschenrechtlern herausgegebenes Informationsbulletin, das 15 Jahre lang, von 1968 bis 1983, publiziert wurde. Über diesen Zeitraum hinweg erschienen 63 Ausgaben der Chronika.

Die Vereinten Nationen erklärten das Jahr 1968 zum Internationalen Jahr der Menschenrechte, zu Ehren des 20-jährigen Jubiläums der Annahme der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. In der Sowjetunion begann dieses Jahr mit einem der berüchtigtsten Polit-Skandale der Breschnew-Ära, der Gerichtsverhandlung von A. Ginsburg, J. Galanskow, A. Dobrowolski and W. Laschkowa. Dieses Jahr leitete auch die Verfolgung von Dissidenten und denjenigen, die sie unterstützten, sowie die zunehmende Zensur der Literatur ein. Auf der Titelseite der ersten Ausgabe des Bulletins, datiert vom 30. April 1968, wurde die folgende Überschrift gedruckt: „Das Internationale Jahr der Menschenrechte in der Sowjetunion“. Ein Stück weiter unten erschien ein Epigraph mit dem Text aus Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte über das Recht eines jeden, Informationen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten. Darunter stand: „Chronika Tekuschtschich Sobytij“. Genau genommen hatte Natalja Gorbanewskaja, die erste Herausgeberin des Bulletins vor, die Publikation „Das Jahr der Menschenrechte in der UdSSR“ zu nennen (was die anfängliche Absicht deutlich macht, das Bulletin nur während einer kurzen Zeit herauszugeben). Der Text „Chronika Tekuschtschich Sobytij“ erschien dagegen als Untertitel und sollte eigentlich das Genre der Publikation angeben. Die Leser hielten es jedoch für den Titel und den Text „Das Jahr der Menschenrechte in der UdSSR“ für das Motto, das das Thema des Bulletins bezeichnete. Die Titelseite wurde weiterhin auf diese Art und Weise gelesen, was von der Gründerin akzeptiert wurde. Insbesondere, weil die Publikation nach dem Internationalen Jahr der Menschenrechte weiterhin erschien. 1969 erschien ein neues Motto auf der Titelseite: „Das Jahr der Menschenrechte in der UdSSR geht weiter“. Danach wurde es mehrmals geändert: „Die Bewegung für den Schutz der Menschenrechte in der UdSSR geht weiter“, „Der Kampf um Menschenrechte in der UdSSR geht weiter“ und „Aktionen für den Schutz der Menschenrechte in der UdSSR gehen weiter“. Der Aufbau des Bulletins wurde bereits in der ersten Ausgabe festgelegt – die Chronika war in zwei Teile unterteilt. Der erste Teil enthielt eine detaillierte Beschreibung der (in den Augen der Herausgeberin) wichtigsten Ereignisse, die sich zwischen dem Erscheinungsdatum der vorherigen Ausgabe und dem Erscheinungsdatum der aktuellen Ausgabe zugetragen hatten. Der zweite Teil bestand aus wiederkehrenden Titeln, die nach Thema und Genre geordnet waren: „Verhaftungen, Durchsuchungen, Befragungen“, „Unrechtmässige Anklagen“, „In Gefängnissen und Lagern“, „Samisdat-Neuigkeiten“, „Kurze Berichte“ und „Richtigstellungen und Nachträge“. Das ursprüngliche Überschriftssystem wurde natürlich ausgebaut und angesichts der neuen Probleme, die die Aufmerksamkeit von Menschenrechtlern weckten, komplizierter. Bald erschienen die Überschriften „Verfolgung der Gläubigen“, „Verfolgung der Krimtataren“ und „Unterdrückung in der Ukraine“. Anfang 1972 tauchte die Kategorie „Verfolgung von Gläubigen in Litauen“ auf. Mitte desselben Jahres erschien die neue, allgemeinere Überschrift „Ereignisse in Litauen“ und entwickelte sich zu einem festen Bestandteil der Chronika.

Der Stil der Chronika blieb unverändert: zurückhaltend, wertfrei, sachlich. Ihre Thematik blieb unverändert: der Untergang grundlegender Bürgerrechte und Freiheiten in der UdSSR und Kampagnen sowie „unerlaubte“ Aktionen zum Schutz dieser Rechte. Der Leitsatz der Publikation blieb unverändert: möglichst präzise und vollständige Informationen zu sammeln und diese objektiv zu veröffentlichen.

Die Herausgeber der Chronika gaben ihre Namen nicht öffentlich bekannt. Es wäre jedoch eine Übertreibung, zu behaupten, dass das Bulletin in den „Tiefen des Untergrunds“ entstand. In den ersten 1 ½ Jahren, in denen die Chronika existierte, war es weithin bekannt, dass N. Gorbanewskaja, deren persönlichen Anstrengungen das Erscheinen der ersten 9 Ausgaben zu verdanken waren (vielleicht mit Ausnahme der dritten Ausgabe, an der sich Ilja Gabaj und seine Frau Galina aktiv beteiligten) bei der Vorbereitung der Ausgaben den Hauptteil der Arbeit übernahm. Es ist schwierig zu sagen, warum sich der KGB während dieser Zeit mit Verhaftungen zurückhielt. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass es nicht so einfach war, einem unparteiischen, strikt informationsbezogenen und sachlichen Bulletin, das weder zum Sturz der sowjetischen Macht aufrief, noch ihre Aktivitäten grob verzerrt darstellte,  „anti-sowjetische Propaganda“ oder „Diffamierung des sowjetischen Systems“ vorzuwerfen. Zu dieser Zeit versuchte sich die Führerschaft der staatlichen Sicherheitsbehörden davor zu schützen, dass man sie offenkundig falscher Anklagen bezichtigte. Später verzichtete der KGB auf solche Skrupel. Nach der Verhaftung von Gorbanewskaja, die der Teilnahme an der Vorbereitung und/oder der Verbreitung der Chronika angeklagt wurde, wurden in verschiedenen Jahren auch Jurij Schichanowitsch, Pjotr Jakir, Viktor Krasin, Gabriel Superfin, Sergej Kowalew, Aleksander Lawut und Tatjana Welikanowa verhaftet. Jurij Schichanowitsch wurde zweimal verhaftet. Diese Liste ist natürlich nicht komplett: Wir führten nur diejenigen auf, die tatsächlich in die Herausgabe des Bulletins involviert oder zumindest an seiner Reproduktion und Weiterverbreitung im Ausland beteiligt waren. Der Mehrzahl der Angeklagten wurden analoge Verbrechen zur Last gelegt.

Die Chronika erhielt die Informationen für ihre Ausgaben durch eine einfache und effektive Methode, die sich spontan in einem bedeutenden Ausmass entwickelte: Der bewährte Mechanismus zur Verbreitung von Samisdat-Texten funktionierte in „umgekehrter“ Reihenfolge. Dieser Mechanismus wird im Editorial der fünften Ausgabe des Bulletins klar beschrieben:

Die Chronika ist keineswegs eine illegale Publikation und die schwierigen Umstände, unter denen sie verfasst wird, ergeben sich durch die seltsamen Vorstellungen von Recht und Informationsfreiheit, die im Verlauf vieler Jahre in gewissen sowjetischen Organisationen zur Normalität geworden sind. Aus diesem Grund kann die Chronika nicht wie jede andere Zeitung auf der letzten Seite ihre Postanschrift bekanntgeben. Dennoch kann jeder, der sich dafür interessiert, wie die sowjetische Öffentlichkeit über die Ereignisse im Land informiert wird, den Herausgebern der Chronika auf einfache Art und Weise Informationen zukommen lassen. Geben Sie die Informationen einfach an die Person weiter, von der Sie die Chronika erhalten haben. Diese wird sie an die Person weiterleiten, von der sie die Chronika erhalten hat u.s.w. Doch versuchen Sie nicht, auf eigene Faust die ganze Informationskette zurückzuverfolgen, da man Sie sonst für einen Polizeispitzel halten könnte.

Später, in den 70er Jahren, wurden die Berichte, die man auf die oben beschriebene Art und Weise erhielt, durch Informationen von unabhängigen Menschenrechtsorganisationen (z.B. der Moskau-Helsinki-Gruppe) ergänzt, die ihre eigenen Informationsquellen hatten, oder anderen Samisdat-Zeitschriften entnommen. Noch später erschienen Fachpublikationen zum Thema Menschenrecht, wie z.B. das „Bulletin V“, das weniger für den Samisdat vorgesehen war, sondern eher als Primärquelle für andere Publikationen dienen sollte. Die Chronika erschien regelmässig, ungefähr alle zwei Monate, bis Ende des Jahres 1972. Dann, nach der 27. Ausgabe, wurde die Publikation vorübergehend eingestellt. Der Grund für diese Pause war Erpressung seitens des KGB, der offen damit drohte, dass jede neue Ausgabe als Anlass für zusätzliche Verhaftungen dienen würde, wobei die Verhafteten nicht unbedingt direkt an der Veröffentlichung der Chronika beteiligt sein mussten. (Bei Irina Belogorodskaja, die zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich an der Vorbereitung des Bulletins beteiligt war und in der Vergangenheit nur das Abtippen der Ausgaben organisiert hatte, wurde diese Drohung in die Tat umgesetzt.)

Bereits im Herbst des nächsten Jahres begannen jedoch die Vorbereitungen für eine erneute Herausgabe der Chronika. Man entschied, an drei Ausgaben gleichzeitig zu arbeiten. Deren Inhalt sollte sich auf die Zeit der „Pause“ beziehen und die in dieser Zeit entstandene Lücke schliessen. Anfang Mai 1974 waren alle drei Ausgaben – Nummer 28, 29 und 30 – bereit. Zur selben Zeit wurde in den innersten Kreisen des Bulletins über die Möglichkeit diskutiert, die Gründung eines Redaktionsausschusses anzukündigen. Die Vorteile eines solchen Entscheids waren offensichtlich: Erstens würde es die Möglichkeiten des KGBs stark einschränken, die Chronika mit der Verhaftung von an der Herausgabe unbeteiligten oder nur gelegentlich beteiligten Personen zu erpressen. Zweitens würde es für Korrespondenten und Leser der Chronika einfacher werden, Informationen weiterzugeben. Die Nachteile waren ebenfalls offenkundig: Die Regierung würde diesen Schritt als weitere Herausforderung auffassen und die Mitglieder des Reaktionssausschusses würden sich sehr wahrscheinlich bald hinter Gittern wiederfinden. 

Es wurden auch allgemeinere Bedenken gegenüber eines solchen Schrittes laut: Die Chronika stellte ein bekanntes und vielleicht das wichtigste Projekt der gesamten Menschenrechtsbewegung dar: ihr Herz. Genau das war sie für ihre Verteiler, Leser, Korrespondenten und Helfer. Sie fühlten sich ebenso sehr Teil des Projekts wie diejenigen, die Texte auswählten und editierten oder das Konzept einer Ausgabe erarbeitet hatten. Und sie hatten konkrete Gründe, sich als Teilnehmer zu betrachten, denn sie riskierten durch ihre Mithilfe ebenso viel wie alle anderen. Ist es folglich überhaupt legitim, im Zusammenhang mit der Chronika Tekuschtschich Sobytij den Ausdruck „Redaktionsausschuss“ zu verwenden? Letzten Endes entschied man sich für einen Mittelweg:  Die Zusammensetzung des Redaktionsausschusses würde nicht auf der Titelseite gedruckt werden, aber am 7. Mai 1974 beriefen einige Mitglieder der Initiativgruppe für den Schutz der Menschenrechte in der UdSSR eine Pressekonferenz ein. An dieser Pressekonferenz wurden die drei vorbereiteten Ausgaben offen an die Journalisten übergeben. Ebenfalls übergeben wurde eine Presseerklärung, die von drei Mitgliedern der Initiativgruppe unterzeichnet worden war: Tatjana Welikanowa, Sergej Kowalew und Tatjana Chodorowitsch. Die Erklärung bestand nur aus wenigen Sätzen:

Da wir die Chronika Tekuschtschich Sobytij trotz wiederholter Behauptungen seitens des KGB und sowjetischer Gerichtsinstanzen nicht als illegale oder verleumderische Publikation betrachten, sehen wir es als unsere Pflicht an, für eine grösstmögliche Verbreitung zu sorgen. Wir halten es für unerlässlich, dass alle Interessierten Zugang zu wahrheitsgetreuen Informationen über Verstösse gegen grundlegende Menschenrechte in der Sowjetunion erhalten.

Auf diese Weise übernahmen die Autoren die Verantwortung für die Verbreitung, aber nicht für die Herausgabe des Bulletins. Diese Nuance wurde jedoch längst nicht von allen verstanden und viele sahen die Bekanntmachung vom 7. Mai als Erklärung des „Redaktionsausschusses“ an. Dies war in der Tat nicht so weit von der Wahrheit entfernt: Zwei der drei Personen, die die Bekanntmachung unterzeichnet hatten – Welikanowa und Kowalew – waren tatsächlich Herausgeber der Chronika. Gleichzeitig wurde entschieden, ausländische Neuauflagen der Chronika zu vereinheitlichen, indem man die Urheberrechte klärte. Die Chronika ernannte Pawel Litwinow zum bevollmächtigten Vertreter der Publikation im Ausland, der das Urheberrecht zum Nachdruck in anderen Ländern besass. Die Pressekonferenz vom 7. Mai hatte starke Auswirkungen, da jedermann, sogar der KGB, sicher gewesen war, dass die Chronika ihre Publikation 1 ½ Jahre zuvor eingestellt hatte. Die Informationsflut stieg dramatisch an und folglich verbreiterten sich auch die Themenbereiche und die geografischen Schauplätze, aus denen die Zeitschrift Informationen erhielt.

Danach wurde die Chronika bis an ihr Ende ohne Unterbrechung herausgeben, wobei im Februar 1981 die bereits vorbereitete 59. Ausgabe während einer Durchsuchung von Herausgeber Leonid Wuls Wohnung konfisziert wurde. Man entschied sich, diese Ausgabe nicht wiederherzustellen, sondern sogleich mit der Vorbereitung der 60. Ausgabe zu beginnen. Die erneut herausgegebene Chronika behielt all ihre Charakteristiken bei, abgesehen von zweien: ihre Kompaktheit (wie bereits erwähnt, stieg die Informationsflut stark an und dadurch nahm der Umfang der Publikation zu) sowie ihre Effizienz (die Vorbereitung einer Ausgabe dauerte viel länger als bisher). Bereits davor hatte das Datum, das auf der Titelseite erschien, nicht mit dem Datum übereingestimmt, an dem die Ausgabe fertiggestellt worden war: Es gab in Wirklichkeit nur die Zeitperiode an, auf die sich der Inhalt der aktuellen Ausgabe bezog. Bei den drei „retrospektiven“ Ausgaben, die erstellt wurden, um den Publikationsunterbruch abzudecken, wurden diese Datumsunterschiede im Voraus vereinbart. Von diesem Zeitpunkt an war es jedoch unmöglich, die frühere Erscheinungshäufigkeit aufrechtzuerhalten und die Produktionseffizienz wiederherzustellen. Zwischen Mai 1974 und Oktober 1983 wurden nur 35 Ausgaben erstellt (inklusive der konfiszierten 59. Ausgabe und der nie veröffentlichten 65. Ausgabe). Dies entsprach 3 bis 4 Ausgaben pro Jahr, im Gegensatz zu den früheren 6 Ausgaben jährlich. Doch dies sind Durchschnittswerte. In Wirklichkeit wurde der zeitliche Abstand von Jahr zu Jahr grösser. Die letzte erschienene Ausgabe, die 64., war vom 30. Juni 1982 datiert, während die nächste Ausgabe, die 65., erst im Herbst 1983 erstellt wurde und weder im Samisdat noch im Ausland erschien. Eine mit Schreibmaschine geschriebene Kopie der 65. Ausgabe, die Boris Smuschekewitsch, einer der Herausgeber der letzten Ausgaben der Chronika, aufbewahrt hatte, befindet sich nun in den Archiven von Memorial. Die Publikation der Chronika Tekuschtschich Sobytij wurde nach der Verhaftung von Jurij Schichanowitsch am 17. November 1983 eingestellt. Er hatte viele Jahre lang bei der Redaktion der Ausgaben eine entscheidende Rolle gespielt (insbesondere seit Mai 1980). Die Chronika wurde nie wieder publiziert. Die Tradition von auf Menschenrechte ausgerichteten Informationszeitschriften wurde teilweise von Aleksander Podrabinek fortgesetzt, der im Jahr 1987 die Zeitung „Express-Chronika“ gründete, und von Sergej Grigorjans, dem Chefredakteur des im selben Jahr gegründeten Bulletins „Glasnost“. Doch dies war natürlich ein völlig anderer Samisdat in einer ganz anderen Epoche.

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Die Chronika Tekuschtschich Sobytij spielte in den Anfängen der unabhängigen öffentlichen Meinung in der Sowjetunion eine historische Rolle.

Erstens leitete sie gewissermassen die Tradition des regelmässig erscheinenden Samisdat ein, wenn man Aleksander Ginsburgs Zeitung „Sintaksis“ von 1959-1960 und einige der SMOG-Zeitungen der frühen 60er-Jahre (SMOG war eine inoffizielle, künstlerische Jugendgruppe) nicht mitzählt. Sintaksis und die SMOG-Publikationen waren literarische Anthologien und können im strikten Sinne des Wortes nicht als Quelle der „Masseninformation“ bezeichnet werden. Somit war es die Chronika, die den Beginn der Pressefreiheit in Russland in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kennzeichnete.

Zweitens spielte die Chronika eine entscheidende Rolle bei der Zusammenführung von Menschenrechtsaktivitäten in der UdSSR. Ihre Verbreitungsmethode und insbesondere die Art und Weise, wie sie Informationen sammelte, führte zur Gründung eines einheitlichen Informationsbereichs, der alle wichtigen Erscheinungsformen von regimekritischen und, in zahlreichen Fällen, nicht regimekritische, öffentliche Aktivitäten einschloss. Die Chronika rief die Menschenrechtsbewegung in der UdSSR ins Leben und war in gewisser Weise die Bewegung selbst.

Später, mit der Entstehung von anderen Menschenrechtsorganisationen, verlor die Chronika ihre Einzigartigkeit. Sie verlor jedoch nie ihre Bedeutung als Zeugnis der Dissidenzbewegung, nicht einmal nach dem Erscheinen der Helsinki-Bewegung in der UdSSR im Jahre 1976.

Heute stehen Forschern mehrere elementare Quellen zum Studium der Geschichte der sowjetischen Dissidenz und der Menschenrechtsbewegung in der UdSSR zur Verfügung; z.B. das Samisdat-Archiv von Radio Liberty, das in begrenzter Auflage die Publikationen “Sobranie Dokumentow Samisdata“ („Sammlung von Samisdat-Dokumenten“) und „Materialy Samisdata“ („Samisdat-Material“) herausgibt. Eine weitere wichtige Quelle ist das Bulletin „Wjesti is SSSR“ („Neuigkeiten aus der UdSSR“), das ab 1978 von Kronid Ljubarskij in München herausgegeben wurde. Doch die Chronika Tekuschtschich Sobytij bleibt für Wissenschaftler die erste und wichtigste Quelle. Aus diesem Grund entschied sich die wissenschaftliche Informations- und Aufklärungsorganisation Memorial, die Chronika allen Interessierten zugänglich zu machen, indem sie die Texte ins Internet stellt.

Dem Archiv von Memorial steht praktisch die gesamte Reihe der mit Schreibmaschine geschriebenen Kopien des Bulletins zur Verfügung (inklusive mehrere Nachdrucke der ursprünglichen Version der Publikation). Dennoch stützt sich der Grossteil der elektronischen Version des Textes auf die zweibändige Publikation, die 1979 von der Alexander-Herzen-Foundation in Amsterdam herausgegeben wurde (Band 1: Ausgaben 1-15; Band 2: Ausgaben 16-27). In mehreren Fällen wurden die textbezogenen Bemerkungen der Herausgeber archiviert und man berücksichtigte diese Notizen, als die Ausgaben vom Possev-Verlag (Frankfurt am Main) als Broschüren veröffentlicht wurden.

Wir entwickeln auch eine Reihe von Nachschlagregistern:

- ein kommentiertes Namensregister

- ein thematisches Register

- ein Register der erwähnten Texte oder Dokumente

- ein Register mit geografischen Bezeichnungen

Im Rahmen des Programms möchten wir auch kurze historische Abhandlungen über die Entstehung jeder Ausgabe verfassen, indem wir mündliche Berichte und die vorhandenen Memoiren beteiligter Personen verwenden. Wir sind allen dankbar, die uns bei dieser – unserer Meinung nach sehr wichtigen – Aufgabe unterstützen möchten. Unser langfristiges Ziel ist es, praktische, auf zusätzlichen Quellen basierende Kommentare über die Berichte der Chronika zu verfassen.

Übersetzung von Manuela Waldner